INFORMATIONEN ZU BORNA-VIREN FÜR BETROFFENE UND ÄRZTE

Stand September 2017

 

  • Was sind Borna-Viren?

  • Wie häufig sind BDV-Infektionen beim Menschen und wie infiziert man sich?

  • Welche Organe des Körpers werden von BDV befallen?

  • Welche Symptomatik kann sich bei infizierten Menschen entwickeln?

  • Wie kann eine BDV-Infektion nachgewiesen oder ausgeschlossen werden?

  • Wie kann eine BDV-Infektion behandelt werden?

  • Wie kann der Therapieerfolg überwacht werden?

Was sind Borna-Viren?

  • Borna-Viren sind kleine Viren mit Erbmaterial aus RNA (Ribonukleinsäure), die weitläufig mit Masernviren verwandt sind, aber im Gegensatz zum Masernvirus lebenslang im Körper verbleiben, ohne Zerstörung der Zellen. Borna-Viren bilden eine eigene Virusfamilie (Bornaviridae), von der inzwischen mindestens sechs Virusarten bekannt sind, deren Stämme in Reptilien, Vögeln und Säugetieren vorkommen.

  • Die den Menschen und seine Haus-Tiere (Pferd, Katze, Hund u.a.) betreffende Virusart, BDV-1 (Borna Disease Virus 1), ist weltweit verbreitet. Die Virusstämme von BDV-1 sind in ihrem Erbgut eng verwandt. Borna-Viren gehören zu den ältesten Viren und haben dauerhafte Spuren im menschlichen Erbgut und dem der Vorfahren des Menschen hinterlassen.

Wie häufig sind BDV-Infektionen beim Menschen und wie infiziert man sich?

  • BDV-1 Stämme kommen in den Weltregionen unterschiedlich häufig vor. Sie wurden bisher bei 10% bis 30% der erwachsenen Bevölkerung nachgewiesen (Belege aus China, Europa, Australien). Bei der Mehrheit der infizierten Menschen bleibt die Infektion symptomfrei und daher unbemerkt (>80%). Bei jedem sechsten Infizierten (16-17%) besteht aber ein erhöhtes Risiko, im Laufe des Lebens an einer psychischen Störung zu erkranken. Bezogen auf die gesamte Bevölkerung hat jeder Zwanzigste (5 von 100 Menschen; 5%) ein erhöhtes Krankheitsrisiko. Gesundheitsrisiken für infizierte Menschen entstehen hauptsächlich bei Schwächung des Immunsystems, wodurch schlafende (ruhende) Borna-Viren aktiviert werden können.

  • Die Ansteckungswege sind noch weitgehend ungeklärt. Es gibt Hinweise, dass die Ansteckung früh und unbemerkt erfolgt (während der Schwangerschaft; von Mensch-zu-Mensch z.B. über Nasensekret). Das Vorkommen symptomfreier infizierter Menschen, d.h. unerkannter Ansteckungsquellen, ist mit 10-30% relativ hoch, s. oben. Die Ansteckung durch infizierte Haustiere wäre auch denkbar.

  • Im Gegensatz zu den geringen Chancen der Vorbeugung vor Ansteckung können die Erkrankungsrisiken infizierter Personen mit modernen diagnostischen Blutuntersuchungen anhand der Konzentration von Viruseiweißen und Immunkomplexen individuell bestimmt werden (s. unten).

Welche Organe des Körpers werden von BDV befallen?

  • BDV befällt bevorzugt den alten Teil des Gehirns, der unter dem Begriff „Limbisches System“ zusammengefasst wird und an Gefühlen, Stimmungen, Lernen und Gedächtnisbildung beteiligt ist. BDV befällt aber auch weiße Blutzellen. Daher ist es möglich, Testsysteme für die Diagnose einer Infektion in einer kleinen Blutprobe durchzuführen.

Welche Symptomatik kann sich bei infizierten Menschen entwickeln?

  • Eine deutlich häufiger auftretende aktivierte BDV-Infektion findet man bei der akuten Major Depression (80-90%), die die Hälfte aller Depressionen ausmacht, bei chronischen Zwangserkrankungen (50-60%) und beim chronischen Müdigkeitssyndrom (CFS) (30-40%). Zu den symptomübergreifenden Krankheitssymptomen gehören vorrangig kognitive Störungen, z.B. reduzierte intellektuelle Leistungsfähigkeit und Gedächtnisleistung, verlangsamtes Denken, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefizite und Lernstörungen (besonders bei Kindern und Jugendlichen).

  • Es gibt Hinweise (Tiermodelle), dass bestimmte Viruseiweiße das Gleichgewicht der Gehirnbotenstoffe stören und damit zum Symptomspektrum beitragen. Welchen Anteil die BDV-Infektion an den genannten komplexen Krankheitsbildern hat, ist aber noch nicht abschließend geklärt und daher Gegenstand kontroverser Auffassungen.

  • Kognitive Störungen sind facettenreich und können auch bei anderen chronischen Infektionen auftreten, wie z.B. bei Infektionen mit Borrelien, Bartonellen und Toxoplasmen. Daher ist eine Differentialdiagnostik unter Berücksichtigung der genannten Infektionen wichtig. Die Symptomatik kann auch als Folge einer Doppel-Mehrfach-Infektion entstanden sein und dann unterschiedliche Behandlungen erfordern.

Wie kann eine BDV-Infektion nachgewiesen oder ausgeschlossen werden?

  • Die BDV-Infektion durchläuft ruhende und aktivierte Phasen (akut und chronisch) in einem infizierten Menschen (oder Tier). Heute steht eine moderne Diagnostik auf der Basis von Enzymimmuntesten (ELISA) zur Verfügung, die dem dynamischen Verlauf gerecht wird und zwischen diesen Phasen unterscheiden kann. Benötigt wird nur eine kleine Blutprobe (1-5 ml Serum oder Plasma), deren Versand ohne Kühlung erfolgen kann.

  • In aktivierten Phasen entstehen vermehrt sogenannte Immunkomplexe (BDV-CIC) als Ergebnis einer verstärkten Bildung von Viruseiweißen (Antigene), die ins Blutplasma eintreten und daraufhin die Produktion von Antikörpern bewirken. Ein Suchtest misst BDV-CIC, die aus Viruseiweißen und Patienten-Antikörpern bestehen und nur nachweisbar sind, wenn die Viren sich vermehrt haben. Dieser Test zeigt also bestehende chronische (aktivierte) Infektionen an.

  • Bei akuter Erkrankung sollten zusätzlich die Viruseiweiße (Antigene) selbst bestimmt werden. Sie zeigen gemeinsam mit den CIC (oder alleine) einen akuten Aktivierungsschub an.

  • Seit den Anfängen der BDV-Diagnostik werden noch vielfach Antikörper-Teste auf Immunfluoreszenz-Basis (IFT) angeboten. Im positiven Fall zeigen sie das Vorliegen einer Infektion an, sagen aber nichts über die Virusaktivität. Ein alleiniger negativer Antikörpertest schließt eine Infektion nicht aus, weil Antikörper in zirkulierenden Immunkomplexen gebunden werden je nach Menge der vom Virus produzierten Eiweiße (Antigene) und dadurch unter die Nachweisgrenze absinken.

Wie kann eine BDV-Infektion behandelt werden?

  • Bei einem positiven Suchtest (BDV-CIC) und/oder positiven Antigentest eröffnet sich eine antivirale Behandlungsmöglichkeit für Patienten mit o.g. klinischer Diagnose und Symptomatik.

  • Der Wirkstoff heißt Amantadin (sulfat) (AS) und hat sich in Zellkultur und in klinischen Pilotstudien als hochwirksam gegen natürliche Borna-Viren von Menschen und Pferden erwiesen. Amantadin ist ein gut verträglicher, sehr lange bekannter Wirkstoff, der gegen Influenzaviren zugelassen ist. Die Verordnung gegen Bornaviren durch den behandelnden Arzt ist im Rahmen eines Off-Label-Use möglich. AS hemmt die Virusvermehrung und damit die Produktion der schädlichen Eiweiße. Die Mehrheit infizierter akut depressiver Patienten profitierte nachhaltig mit Krankheitsbesserung (Studienergebnisse), parallel zum Rückgang der Virusmarker im Serum/Plasma. AS kann zusätzlich zu Antidepressiva und vielen anderen Medikamenten verordnet werden (keine unerwünschten Wechselwirkungen, kein Abbau in der Leber).

  • Dosierung: 2 mg bis maximal 4 mg AS pro kg Körpergewicht täglich oral. Das sind bei einem 75 Kg schweren Patienten 150 bis maximal 300 mg AS in Tablettenform täglich. Einschleichen zu Beginn mit 1 mg AS pro Kg Körpergewicht für die ersten drei bis vier Tage. Einnahmeschema: 1-1-0 oder 1-0-0. Therapiedauer: im Regelfall 3 Monate, im ersten Monat klinische Besserung zu erwarten. Verträglichkeit: im angegebenen Dosisbereich sehr gut. In der ersten Woche sind Unruhe und beeinträchtigter Schlaf möglich
    (dann Einnahmeschema 1-0-0).

  • AS wirkt virostatisch, d.h. die Virusaktivität wird nachhaltig reduziert, aber die Infektion kann nicht beseitigt werden. Klinische Rückfälle mit erneuter Aktivierung ruhender Borna-Viren sind möglich, verlaufen aber milder und kommen seltener vor bei erfolgreich behandelten als bei noch nicht behandelten Patienten. Eine diagnostische Blutkontrolle kann im Verdachtsfall abklären, ob ein erneut antiviral behandlungsbedürftiges Rezidiv vorliegt oder nicht.

Wie kann der Therapieerfolg überwacht werden?

  • Der Erfolg der antiviralen Behandlung kann mit Hilfe der differenzierten Diagnostik (CIC und Antigen-Teste) kontrolliert werden, die damit eine wertvolle Entscheidungshilfe für ärztliche Maßnahmen bietet. Die Blutkontrollen sollten in der Therapiephase in der Regel nach 6 und 12 Wochen erfolgen. Nach 6 Wochen zeigt eine Verringerung der CIC und/oder der Antigenwerte an, dass die Behandlung anschlägt. Nach 12 Wochen sollten keine Antigene und niedrigere CIC-Werte als zu Beginn nachweisbar sein, bevor AS ausgeschlichen wird (über 4-7 Tage) unter Dosisverringerung. Bei verzögertem Verlauf ist eine Fortsetzung der Therapie, ggfs. unter Dosiserhöhung möglich, nach ärztlichem Ermessen und unter diagnostischer Kontrolle (alle 6 Wochen).